Eine kurze Geschichte des Gipserhandwerks


Entdeckung

Wer den Gips und seine besonderen Eigenschaften entdeckte, ist unbekannt. Man geht davon aus, dass ein zufälliges Ereignis dazu führte, etwa dass ein Gesteinsbrocken grosser Hitze ausgesetzt war, mürbe wurde und leicht zerstossen werden konnte. Wurde dem Pulver Wasser hinzugefügt, entstand die geschmeidige, leicht zu verarbeitende und formbare Masse, ohne die es unser Handwerk heute nicht gäbe. Gips ist die einzige natürlich vorkommende Substanz, die diese besonderen Eigenschaften aufweist.

Kleinasien und Mesopotamien

Die ältesten von Menschen genutzten Gipsvorkommen fand man in der in Kleinasien gelegenen Stadt Çatalhöyük, die ca. 7400 Jahre v. Chr. ihre Blütezeit erlebte. Auf Zeugen für die Verwendung von Gips stiess man auch in der Stadt Jericho (6000 v. Chr.) und im mesopotamischen Uruk am Euphrat (um 3000 v.Chr.), wo man bei Grabungen Überreste eines Tempels fand, dessen Wände aus Gips gegossen waren. Wie man aus Keilschrift-Texten weiss, nutzte auch die sumerische Hochkultur, die ca. 3000 v. Chr. erblühte, den Gips. Ebenso ist von den Babyloniern (ab ca. 2000 v.Chr.) bekannt, dass sie sich Gips nutzbar machten.

Ägypten und Griechenland

Die Ägypter verwendeten Gips meist in einer Mischung mit gebranntem Kalk. Unter anderem fand man diesen Gipsmörtel in den Fugen der Chephren-Pyramide, der zweitgrössten der ägyptischen Pyramiden (um 2550 v. Chr.).

Auch die minoische Kultur auf Kreta kannte Gipsmörtel, was sich auf ihre engen Handelsbeziehungen mit Ägypten zurückführen lässt. Als eigentliche Erfinder des Gipsmörtels gelten jedoch die Griechen, die Gips auch wegen der leichten Bearbeitbarkeit zur Gestaltung von Bauornamenten einsetzten. Der Name Gips ist vom griechischen Wort «gypsos» abgeleitet.

Rom

Die Kenntnisse über die Anwendung von Gips ging von den Griechen nahtlos zu den Römern über, die ihn jedoch als Baumaterial sehr beschränkt gebrauchten und vor allem auf Kalkmörtel setzten. Gips wurde vor allem für Abgüsse, z.B. von menschlichen Gesichtern, und für erste medizinische Anwendungen (Knochenbrüche) eingesetzt.

Mittelalter und nachfolgende Zeit

Im Mittelalter diente Gips vor allem als Bindemittel für Mörtel, wobei es gleichzeitig erstmals eine Art faserverstärkten Gips gab, der unter Beimischung von Stroh oder Pferdehaaren entstand. In den folgenden Jahrhunderten nutzte man bei sehr hohen Temperaturen gebrannten Gips als Aussenputz, der wegen seiner feuerhemmenden Eigenschaften die Verbreitung der damals oft verheerenden Brände einzudämmen half.

Barock

Ab dem 17. Jahrhundert bis in den Barock (ca. 1800) wurde Gips zunehmend zur Gestaltung von dekorativen Ornamenten genutzt, deren Ausführung sich durch eine bis dahin unerreichte Kunstfertigkeit auszeichnete. In diese Epoche fällt auch die Blütezeit des Stuckmarmors.

Industrialisierung

Im 19. Jahrhundert erkannte man die Bedeutung der unterschiedlichen Brenntemperaturen. Gips wurde erst auf der Baustelle angerührt, dort in Form gebracht und fand vor allem für Putzmörtel, Estriche und Stuckarbeiten Verwendung. Erste, in Serie hergestellte Fertigteile kamen auf den Markt. In den USA wurden Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Gipskartonplatten patentiert – das Fundament für die Entwicklung des heutigen Trockenbauwesens war gelegt.

Heute

Im 20. Jahrhundert erfolgte der definitive Wandel von der handwerklichen Anwendung zum hochwertigen Industrieprodukt mit gleichbleibenden, zweckmässigen Eigenschaften. Für den Gipser kamen laufend neue Aufgaben hinzu – bis hin zu anspruchsvollen architektonischen, baubiologischen oder bauphysikalischen Anforderungen wie Brandschutz, Schallisolation und Energieeffizienz.

Diesen und zukünftigen Entwicklungen bezüglich Materialien und Anwendungen wird auch in der Aus- und Weiterbildung ein entsprechendes Gewicht beigemessen.

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